Dachstuhl ohne Holzschutz?
(08.10.00)

Mein im ökologischen Bauen engagierter Zimmermann hat mir geraten, beim Dachstuhl völlig auf Holzschutzmittel zu verzichten, wenn ich folgenden Dachaufbau/Dämmungseinbau durchführe: von innen nach aussen: Gipskarton, Konterlattung, Dampfbremspappe, Zellulosedämmung, bituminierte Unterdachplatten aus Holzfaser, Konterlattung, Lattung f. Dachpfannen.  Ist der Verzicht auf Holzschutzmittel unter diesen Umständen ratsam? Und ist die Geschichte überhaupt legal? Bei Nachfrage beim zuständigen Bauamt schlug mir doch eine gewisse Ratlosigkeit entgegen. Der Zimmermann gibt an,nach DIN 6...soundso wäre der Holzschutzmittelfreie Dachstuhl kein Problem.

Antwort (09.10.00)

Eine äußerst komplizierte und interessante Frage. Im Prinzip hat Ihr Zimmermann schon Recht, aber es lauern verzwickte Gefahren auf Ihn... die sind aber einfach lösbar. Das Komplizierte ist, in dem vorliegenden Fall greift das Baurecht auf eine DIN (68 800 Teil 3 Absch.1-10) direkt zurück. Dieser DIN-Teil ist daher nicht verhandelbar. Er braucht auch gar nicht, wie sonst nötig, vereinbart werden. Er ist immer Bestandteil des Vertrages, da er gleichzeitig Baurecht ist. Das zum Allgemeinen. 

Die Grundlage seiner Entscheidung (und seiner Aufklärung über etwaige Risiken für Sie) sollte (außer der oben schon zitierten DIN 68 800 Teil 3) sein: 

der Kommentar, 1998, Beuth-Verlag Berlin, zur DIN 68800 Teil 2 "Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau", Ausgabe Mai 1996, und hier der Abschnitt 8 "Konstruktionen für Außenbauteile, bei denen die Bedingungen für die Gefährdungsklasse 0 erfüllt sind", 8.3 "Geneigte, nicht belüftete Dächer". 

Informationsdienst Holz, Holzbauhandbuch, Reihe 3 Bauphysik, Teil 5 Holzschutz, Folge 2 "Baulicher Holzschutz", 1996, Deutsche Gesellschaft für Holzforschung DGfH, München. 

Dann noch ein Hinweis auf Gockel, Konstruktiver Holzschutz, Beuth-Verlag Berlin unter Kapitel 13.6 geneigtes Dach, dort sind bewährte und geprüfte Konstruktionsbeispiele dargestellt. 

Für alles gilt jedoch am Schluss Folgendes: Auf einen vorbeugenden chemischen Holzschutz (bei dem üblicherweise einzubauenden Fichten-/Tannenholz) sollte jedoch hier dann nicht verzichtet werden, wenn Bedenken bestehen, dass die baulichen Maßnahmen nach der DIN 68 800 Teil 2 (Ausg.05.96) besonders bei geneigten Dächern nicht eingehalten werden können. Das gilt besonders, wenn Luftströmungen im Bauteilquerschnitt zu schädlichen Feuchtebildungen führen könnten. (Wie man aus den Beiträgen hier sieht, gibt es die öfters!) M.E. gälte dies jedoch nur in diesen Fällen als erstes vorbeugend gegen Insektenbefall, da ein Pilzbefall fast sicher ausgeschlossen werden könnte. Die Gefahr bleibt natürlich im Schadensfall bei Ihrem Zimmermann, in diesem Fall als Berater sogar länger, als er denkt. Er würde für den ganzen Schaden (der kann, je nach Baukonstruktion in der Praxis ganz erheblich sein) haften müssen, wenn es praktisch zu einem theoretisch nicht zu erwartenden Insektenbefall (und damit u.U. zum Baurechtsverstoß) käme, und sogar, wenn er Sie über alle diese Möglichkeiten ausreichend informiert hätte. Dumm ist zudem, dass eben eine privatrechtliche Vereinbarung, auf chemischen Holzschutz zu verzichten, zwischen Ihrem Zimmermann und Ihnen auch ohne Belang wäre, würde doch im Schadensfalle (Insektenbefall von tragenden oder aussteifenden Holzbauteilen) klar ein Verstoß gegen das Baurecht verliegen. Also, auch wenn der Zimmermann Sie über die Restrisiken in Kenntnis zu setzte, nicht nur in der Haftung bei Schäden bleibt er allein, er hat auch zur Ordnungswidrigkeit weil zum Baurechtsverstoß angestiftet, wofür eine empfindliche Geldbuße angesagt wäre. Er muss sich also genau überlegen, was er macht. Ob die Baugenehmigungsbehörde Sie offiziell von dieser Problematik befreien kann - hinsichtlich baurechtlicher Fragen, möchte ich das bezweifeln. Die ganze Sache ist bei uns immer nur deshalb ein so großes Problem, weil als Bauholz die weniger natürlich resistenten Holzarten Fichte und Tanne oder Splintkiefer verbaut werden. 

Abschließend könnte ich mir eine saubere Lösung vorstellen, wenn Sie eine resistentere Holzart wählen, z.B. in der tragenden Dachkonstruktion Kiefer verwendeten mit höchstens 10% Splintholzanteil (oder Douglasie). Dann hätten Sie durch eine höhere Resistenz des verbauten Holzes einen natürlichen Holzschutz gegen Insektenbefall in diesem Bereich und würden dem Baurecht (DIN 68 800 Teil 3 Abschn.1-10 = Baurecht) Rechnung tragen. Damit wären Sie solchen, eventuell später verzwickten Rechtslagen zwischen Ihnen und Ihrem Zimmermann aus dem Wege gegangen und könnten sicher auf chemischen Holschutz verzichten.

Viele Grüße Hans-Joachim Rüpke


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