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Tod eines Einbaums - Pilze, Insekten und Kunst


Die surreale Installation bestand aus elf nach oben gerichteten Monitoren in einem bootsähnlichen hohlen Stamm. In einer Werkbeschreibung hieß es weiter, die Projektionen vermittelten den Eindruck eines springenden Flusses, das Wasser hüpfte jedoch gegen die Fahrtrichtung des "Bootes", wie eine leise Warnung, dass der Mensch das Wasser, die Natur nicht restlos unter seinen Willen zwingen kann.

War von holzzerstörenden Insekten und Pilzen befallen und stark zerstört... Fabrizio Plessi`s L´ENIGMA DEGLIADII - Das Rätsel des Abschieds, Video-Installation 1999, Kestnergesellschaft Hannover Links oben die Installation im Museum, unten in der Werkstatt bei der Bekämpfung.
Fotos: www.plessi.it
Foto unten: Rüpke

Da lag er nun, ganz anders, als auf Hochglanz abgebildet, der lange Einbaum des italienischen Künstlers Fabrizio Plessi. Sein Omen traf zu.

Über und über mit Pilzen bewachsen, Getier von Insekten krabbelte auf ihm herum, wie an einem Biotop. Und hilfesuchende Kunstfreunde.

Sicher nur in der Auswirkung unbeachtet geblieben, hatten Pilze und Insekten dem Kunstwerk zuletzt arg zugesetzt. Eine Lösung zur Erhaltung dieses Kunstwerkes war gefragt.

Stress von Ausstellung zu Ausstellung...

Lagerpackdecken sind mit Pilz durchwachsen
Die Bekanntheit seines Schöpfers brachte unseren Einbaum "auf allen Meeren zu Wasser", in Valencia, Bilbao, Sevilla, Venedig und zurück in sein hannoversches Gefilde.

Zuerst unter den Fittichen eines großen norddeutschen Kunstvereins vielerorts gezeigt, sollte er am Ende den Bestand eines Kunstförderers aus der Bankenwelt in dessen neuem Palast bereichern.

Infolge stark fortgeschrittener Holzzerstörungen wurde daraus vorrübergehend nichts mehr. Der entwurzelte Einbaum und sein heerer Erschaffer fanden hernach wieder zusammen.

Frisch gefällt aus dem Wald kam die Pappel voll berindet ins Atellier, um zusammen mit einer Videoinstallation, danach als noch halbberindeter frischer Stamm verblieben, den Weg zur Eröffnungsausstellung und einigen Folgeausstellungen anzutreten. Was dabei an solchem frisch berindeten Pappelholz entstehen kann, deuteten neben Amphibien- und Insektenvorkommen alsbald Pilzfruchtkörper an der Oberfläche an.

Leben am Einbaum


oben: Pilze abschälen, links: Befall am Stammende
Fotos: Rüpke
Wohl schon am Kunstwerk geborene Amphibien entzückten oder verwirrten das offene Auge der Besucher. Moos- und Flechtenbewuchs gaben den Rahmen und ersten Anlass zum Denken.

Berindete, feuchtere Bereiche behaupteten sich nachhaltig als Biotop, schneller austrocknende, unberindete Stammbereiche verzogen sich arg. Hydraulikpressen und Spreizen mussten hier unter dem Argwohn der Oberern richten.

Ob Verbringungen und zwischenzeitliche Lagerung die günstigen, feuchten Bedingungen für einen Befall durch Insekten und holzzerstörende Pilze periodisch wieder verstärkten, oder die hohe Holzfeuchte einfach nur weiter erhielt, wer will es am Ende noch wissen, wenn der Schaden erst da ist.

Folgen konnten aus alledem nur bekämpfende und gleichzeitig vorbeugende Holzschutzmaßnahmen gegen den Insektenbefall in nicht zerstörender Art. Gegen den Pilzbefall war alles zu spät. Eine Bekämpfung der inneren Stammteile hätte nur zerstörend durch Entfernen und Ersatz erfolgen können. Eine Heißluftbehandlung machte die Zerstörung auch nicht rückgängig. Nach dem Abbau des Holzbestandteils Lignin blieben von der sogenannten Weißfäule bereits zerstörte Bereiche in allen zerstörungsfreien, den Vorgaben am Kunstwerk angemessenen Maßnahmevarianten unwiederbringbar. Der statische Zustand war daher nicht mehr stabil.

Viel Holzschutzausrüstung, ein Werkstattbus ist fast voll
Schaumverfahren, Schutzmittel mitTensiden

Fazit bei einem zerstörungsfreien Vorgehen war also: eine Bekämpfung und im gleichen Zuge eine Vorbeugung gegen Insektenbefall ist möglich, Bekämpfung durch Sperrung des Pilzbefalls ist nur in der Randzone bedingt möglich, der Pilzbefall wird aber durch eine nachhaltige Trocknung beendet, zukünftig ist nun eine statische Transporthilfe (Traverse) nötig. Das war zugleich eine zustandsgerechte Rettung.

Der Einbaum kam in die OP...

Zwei erfahrene Holzschutzfachleute arbeiteten unter unserer Leitung nach einem dem betreuenden Museum vorgelegten, zugestimmten Sanierungsplan unter Verwendung vielfältigster Technik. Nötig waren ein umfangreiches Instrumentarium und Geräte. Es stand die Frage, wie kann man die Borke ohne einen nachher sichtbar bleibenden Eingriff durchdringen?

Schäumen der Rindenbereiche
Loch für Loch wird geimpft
Nichts darf verändert werden, das war die Vorgabe des Künstlers. Der Befall in der Rinde, darunter im Kambium und Bast war so schlecht zu erreichen. Im Stamminneren war der Befall kaum zu ergründen und erst recht nicht zu erreichen.

Ohne Zerstörung, wie soll man da heran kommen? Die Lösung: hunderte winzige Injektionslöcher 1-2 mm. Die in den Bildern sichtbaren vielen feinen Holzstäbchen, das sind Zahnstocher, die die sonst fast unsichtbaren Löcher kennzeichnen und eine Kontrolle der Füllvorgänge und Füllmenge sichern. Schnell verliert die Bearbeiterin sonst den Überblick.

Mit der Spritze impfen...

Der Schneidersitz ist wohl angebracht, wenn Tausende von Löchlein gebohrt, bezeichnet, und öfters verfüllt werden.
Jedes dieser winzigen Löcher wurde mit einer medizinischen Kanüle geimpft. Verwendet wurde ein spezielles dänisches Holzschutzmittel auf Borbasis, bekämpfend (und in anderen Bereichen vorbeugend) gegen Insekten. Es ist glykolbasiert, um eine gute Penetration (Eindringung) zu erreichen. Wegen beginnender Kristallisation war ein zügiges Arbeiten, Reinigen und Wechseln erforderlich.

Unglaublich, welche Massen an flüchtenden Insekten über Nacht aus dem Stamm kamen!

Schon nach kurzer Zeit zeigte sich nebenbei auch durch Verfärbung eine Hemmung am Pilzwachstum. Unter Termindruck war der Versuch, eine Trocknung einzuleiten, wenigstens im Außenbereich erfolgreich. Die weitere Trocknung überging am neuen Ausstellungsort in andere bankerfahrene Hände.

Die optische Wirkung an der Oberfläche wird gut

Orginalzustand der Rinde
Rinde, 3 Tage nach Behandlung
Ein Vergleich der Oberflächen zeigte schon nach 3 Tagen kaum sichtbare Spuren der Impfung. Die Verfärbungen gingen recht schnell zurück. Es war auch möglich geblieben, Anstichstellen später zu kaschieren. Die sichtbar verbliebenden Anwuchsreste der Pilze verfärbten sich nach kurzer Zeit in eine der natürlichen Borke ähnliche Farbe und blieben somit fast unauffällig. Am Ende hätte es gegolten, die Austrocknung abzuwarten, um Ablösungen zu fixieren. Im Inneren verblieb am Ende ein zwar absterbender, aber leider unreparabler Pilzbefallsschaden.

Am Ende ist es für uns geschafft...

Schlussdisskussion am Werk
letzte Station vor der Rückführung
Eine Frage aber blieb: Was würde aus dem teuren, lebhaften aber eben wenig resistenten Einbaum werden?

In seiner Not könnte der Einbaum ja entschwimmen.

So liegt der Baum dann, wie sein Herr ihn bettet. Wir werden in der Kunstszene nach ihm Ausschau halten.

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