Tod eines Einbaums - Pilze, Insekten und KunstDie surreale Installation bestand aus elf nach oben gerichteten Monitoren in einem bootsähnlichen hohlen Stamm. In einer Werkbeschreibung hieß es weiter, die Projektionen vermittelten den Eindruck eines springenden Flusses, das Wasser hüpfte jedoch gegen die Fahrtrichtung des "Bootes", wie eine leise Warnung, dass der Mensch das Wasser, die Natur nicht restlos unter seinen Willen zwingen kann.
Da lag er nun, ganz anders, als auf Hochglanz abgebildet, der lange Einbaum des italienischen Künstlers Fabrizio Plessi. Sein Omen traf zu. Über und über mit Pilzen bewachsen, Getier von Insekten krabbelte auf ihm herum, wie an einem Biotop. Und hilfesuchende Kunstfreunde. Sicher nur in der Auswirkung unbeachtet geblieben, hatten Pilze und Insekten dem Kunstwerk zuletzt arg zugesetzt. Eine Lösung zur Erhaltung dieses Kunstwerkes war gefragt. Stress von Ausstellung zu Ausstellung...
Zuerst unter den Fittichen eines großen norddeutschen Kunstvereins vielerorts gezeigt, sollte er am Ende den Bestand eines Kunstförderers aus der Bankenwelt in dessen neuem Palast bereichern. Infolge stark fortgeschrittener Holzzerstörungen wurde daraus vorrübergehend nichts mehr. Der entwurzelte Einbaum und sein heerer Erschaffer fanden hernach wieder zusammen. Frisch gefällt aus dem Wald kam die Pappel voll berindet ins Atellier, um zusammen mit einer Videoinstallation, danach als noch halbberindeter frischer Stamm verblieben, den Weg zur Eröffnungsausstellung und einigen Folgeausstellungen anzutreten. Was dabei an solchem frisch berindeten Pappelholz entstehen kann, deuteten neben Amphibien- und Insektenvorkommen alsbald Pilzfruchtkörper an der Oberfläche an. Leben am Einbaum
Berindete, feuchtere Bereiche behaupteten sich nachhaltig als Biotop, schneller austrocknende, unberindete Stammbereiche verzogen sich arg. Hydraulikpressen und Spreizen mussten hier unter dem Argwohn der Oberern richten. Ob Verbringungen und zwischenzeitliche Lagerung die günstigen, feuchten Bedingungen für einen Befall durch Insekten und holzzerstörende Pilze periodisch wieder verstärkten, oder die hohe Holzfeuchte einfach nur weiter erhielt, wer will es am Ende noch wissen, wenn der Schaden erst da ist. Folgen konnten aus alledem nur bekämpfende und gleichzeitig vorbeugende Holzschutzmaßnahmen gegen den Insektenbefall in nicht zerstörender Art. Gegen den Pilzbefall war alles zu spät. Eine Bekämpfung der inneren Stammteile hätte nur zerstörend durch Entfernen und Ersatz erfolgen können. Eine Heißluftbehandlung machte die Zerstörung auch nicht rückgängig. Nach dem Abbau des Holzbestandteils Lignin blieben von der sogenannten Weißfäule bereits zerstörte Bereiche in allen zerstörungsfreien, den Vorgaben am Kunstwerk angemessenen Maßnahmevarianten unwiederbringbar. Der statische Zustand war daher nicht mehr stabil.
Fazit bei einem zerstörungsfreien Vorgehen war also: eine Bekämpfung und im gleichen Zuge eine Vorbeugung gegen Insektenbefall ist möglich, Bekämpfung durch Sperrung des Pilzbefalls ist nur in der Randzone bedingt möglich, der Pilzbefall wird aber durch eine nachhaltige Trocknung beendet, zukünftig ist nun eine statische Transporthilfe (Traverse) nötig. Das war zugleich eine zustandsgerechte Rettung. Der Einbaum kam in die OP...Zwei erfahrene Holzschutzfachleute arbeiteten unter unserer Leitung nach einem dem betreuenden Museum vorgelegten, zugestimmten Sanierungsplan unter Verwendung vielfältigster Technik. Nötig waren ein umfangreiches Instrumentarium und Geräte. Es stand die Frage, wie kann man die Borke ohne einen nachher sichtbar bleibenden Eingriff durchdringen?
Ohne Zerstörung, wie soll man da heran kommen? Die Lösung: hunderte winzige Injektionslöcher 1-2 mm. Die in den Bildern sichtbaren vielen feinen Holzstäbchen, das sind Zahnstocher, die die sonst fast unsichtbaren Löcher kennzeichnen und eine Kontrolle der Füllvorgänge und Füllmenge sichern. Schnell verliert die Bearbeiterin sonst den Überblick. Mit der Spritze impfen...
Unglaublich, welche Massen an flüchtenden Insekten über Nacht aus dem Stamm kamen! Schon nach kurzer Zeit zeigte sich nebenbei auch durch Verfärbung eine Hemmung am Pilzwachstum. Unter Termindruck war der Versuch, eine Trocknung einzuleiten, wenigstens im Außenbereich erfolgreich. Die weitere Trocknung überging am neuen Ausstellungsort in andere bankerfahrene Hände. Die optische Wirkung an der Oberfläche wird gut
Am Ende ist es für uns geschafft...
In seiner Not könnte der Einbaum ja entschwimmen. So liegt der Baum dann, wie sein Herr ihn bettet. Wir werden in der Kunstszene nach ihm Ausschau halten. |